Jenseits der € 1,99 - Aus einem Leben als Unwissender - Teil 3

Ein Laie auf Weinerkundung

Je mehr ich über Wein erfahre, um so faszinierter bin ich von den vielen Möglichkeiten, die sich rund um das Thema ergeben … vor allem die Möglichkeiten so vieles falsch zu machen.

von William Powell

 

So gibt es beispielsweise - glaubt man den Fachleuten und einschlägigen Druckerzeugnissen, so etwas wie Weinreisen.

 

Der Laie und die Reise

Obwohl ich mich hier als schon fast dilettantischer Laie oute, muss ich zugeben: Das klingt nett. Allerdings musste ich auch gleich erfahren, dass das nicht bedeutet, einfach mal irgendwo hin zu fahren und sich zu freuen, wenn es dort Wein gibt.

Das wäre meine Definition gewesen und das hätte bedeutet, dass bisher jede meiner Reisen, eine Weinreise gewesen wäre. War es aber offenbar nicht.

Dabei ist Weintrinken im Urlaub an sich schon ein Erlebnis für sich. Und verfälschend. Der Nachbar meines Vaters fiel da mal auf besonders hübsche Weise rein, nachdem er sich in einem Supermarkt in der Toskana einen sehr günstigen Roten kaufte und den dann auf einem Hügel sitzend weg süffelte. In einer lauen Sommernacht. Mit einem tollen Mädel. Mitten in der Toskana!

Klar schmeckt der da super - da hätte wahrscheinlich auch Domestos mit Zucker super geschmeckt.

Zurück in Deutschland setzte der arme Mensch dann ziemlich viele Hebel in Bewegung, um dieses Erlebnis zu reproduzieren.

Und so geht Reproduktion

Das Mädel einladen und auf eine laue Nacht hoffen, war das Eine (und trotz einiger Widrigkeiten der leichtere Teil) - besagten Wein herbeizuschaffen, das Andere. Nachdem das Internet keine Möglichkeiten bot, das gewünschte Produkt wie von Zauberhand erscheinen zu lassen, setzte er den Getränkehändler seines Vertrauens derartig unter Druck, dass der bei befreundeten Wein-Importeuren nachhakte und - nach einiger Zeit, mehreren Besuchen seitens des nervigen Kunden und vielen Telefonaten - den Wein tatsächlich auftrieb und sechs Flaschen per Express ins Bayerisch-hessische Grenzgebiet liefern ließ. Doch statt 2,49 Euro - wie in Italien - kostete das Zeugs natürlich plötzlich 11 Euro die Flasche.

Dennoch störte das Vaters Nachbar nicht wirklich, denn er war ja der Erfüllung eines kleineren Sehnsuchtsanfalls so nahe, dass er das Ganze für nahezu unbezahlbar hielt.

 

Gut angelegtes Geld

Zumindest eine Weile … genauer gesagt, bis zum ersten Schluck, bei dem ihm auffiel, dass selbst 2,49 schon zuviel für die Brühe gewesen waren und perfekte Momente eben nicht für die Ewigkeit gemacht sind, sondern ihren Zauber aus der Vergänglichkeit ziehen.

Traurigerweise konnte ich ihn nicht damit trösten, dass 66 Euro für diese höchst philosophische Erkenntnis gut angelegtes Geld sei. Vielleicht lags aber auch daran, dass sich das Mädel nach dem Abend nicht mehr meldete.

Lieber ehrlich als Kopfweh

Vielleicht hätte ich ihm von meinem besonderen Weinerlebnis im Urlaub erzählen sollen - aber ich weiß nicht, wie lustig er die Geschichte gefunden hätte. Giorgos - der Wirt der griechischen Taverne fand sie schließlich auch nicht lustig - obwohl ich ihm einen Teil der Schuld an dem gesamten Vorfall gebe.

Immerhin war ich zum ersten Mal in Griechenland und ich hatte ihm gesagt, dass ich nicht viel von Wein verstand.

Unglücklicherweise verstand Giorgos nicht viel Englisch und mein griechisch beschränkt sich nach wie vor auf Kali Nichta und Kali Mera. Als er schließlich erfuhr, dass ich noch nie Retsina getrunken hatte, bestand er darauf, mir ein Glas auszugeben.

 

Alter Wein was nun?

Aber sobald ich den ersten Schluck auf der Zunge verspürte war ich zu hundertprozentig davon überzeugt, dass er mir - aus Versehen hoffentlich - verdorbenen Wein eingeschenkt hatte. Wer kommt denn auch auf die Idee, Wein zu harzen, bitteschön?
Ich nicht!

Selbstverständlich wurde ich plötzlich von Panik erfasst und glaubte, ich könne mir an dem schimmeligen Zeugs den Magen verderben. Also drehte ich mich ruckartig zur Hecke, die neben unserem Tisch stand und spuckte das Zeugs in einem hohem, ästhetisch aber nicht wirklich ansprechendem Bogen von mir.

Abscheulich, widerwärtig

Pfui Bägsi, aber auch. Zu meinem Erstaunen wurde Giorgos stinksauer, sprang auf und fuchtelte - auf griechisch schreiend - wild mit den Armen.

Ich könnte es nicht beschwören, aber ich glaube, er war kurz davor, mir eine runter zu hauen.
Aufgescheucht durch des Wirtes lautes Gebaren kamen uns schließlich mehrere andere Gäste zu Hilfe, die sowohl besser Englisch/Griechisch beherrschten, als auch wußte, wo beim Retsina „das Problem“ liegt.

Nachdem sie Giorgos wieder so weit beruhigt hatten, dass er mich nicht ad hoc rausschmeißen wollte, stimmte er zu, dass ich eine zweite Chance verdiene. Und ich muss sagen, ich schlug mich großartig - soll heißen, ich schaffte es beim zweiten Mal, das Zeugs nichts auszuspucken, sondern - und hier wird's spannend - runter zu schlucken. Wahnsinn, oder?

Inzwischen sind ein paar Jahre vergangen und ich muss zugeben, dass es Retsina gibt, den ich - sehr kalt zwar, aber dennoch - mit Freude trinke.

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