Jenseits der € 1,99 - Aus einem Leben als Unwissender - Teil 12

Ein Laie auf Weinerkundung 12

So ungern ich das zugebe; Manchmal beneide ich meine Mutter um ihre Konsequenz, was Geschmack angeht. So lange ich mich erinnern kann, kauft sie den Großteil ihres Frankenweins und Sekts bei einem Winzer aus Großheubach am Main. 

von William Powell

 

Der schmeckt ihr und basta! Ich habe ihn versucht und der Wein ist (zumindest für mich) keine Offenbarung, aber er ist okay. Vielleicht sollte man noch erwähnen, dass der Bocksbeutel an sich für meine Mom oft schon das entscheidende Qualitätsmerkmal ist. 

Der Inhalt spielt meist nur eine untergeordnete Rolle. Der springende Punkt ist aber, dass sie einen Lieblingswein hat und ich das offenbar nicht kann.  Klar könnte ich mir jetzt selbstbewusst auf die Brust schlagen und behaupten, dass ich eben immer auf der Suche nach dem neuen Geschmack wäre und es zu viele Fische im Teich gäbe ... 

Der Reizhusten und die Katze

Die Wahrheit ist, dass ich Reizhusten bekomme, wenn ich mir gegen den Brustkorb trommele und dass ich beim Wein offenbar die Aufmerksamkeitsspanne einer acht Wochen alten Katze besitze. Im Moment zum Beispiel finde ich „Tante Tilli“ von Ute Weinmann ganz toll. Ist ein schöner Weißwein Cuvée aus Rheinhessen. Und der Grund, weswegen ich gerade drauf spinne, ist der, dass mir Ute Weinmann den Tropfen ans Herz gelegt hat. 

Und weil er schmeckt. Aber um rauszufinden, welchen Wein ich vergangenen Sommer toller fand, als alle anderen, musste ich doch tatsächlich einen Freund fragen. Dann erst fiel es mir wieder ein, dass es „Saugut“ von Jürgen Fendt war. Alleine den Namen zu vergessen, ist eine Kunst an sich - ich aber hatte den ganzen Wein vergessen. Als ich ihn jetzt wieder getrunken habe, wusste ich sofort, warum ich den gut finde. 

Wissen für Klugscheißer

Und ich wusste auch wieder, dass mir der Wein von erwähntem Freund empfohlen worden war. Was an sich ein Glücksfall ist, denn Weine, die ich ausnahmsweise mal selbst „entdecke“, finde ich hinterher nie mehr wieder. Was auch heißt, dass ich die nie jemanden empfehlen könnte. Dabei habe ich – als ehemaliger professioneller Klugscheißer - ein Faible für Wissen, das man unter die Leute bringen kann. Der Begriff „Reichsdeputationshauptschluss“ klebte sich mir schon in der siebten Klasse derart ins Gehirn, dass ich nie mehr vergaß. Ich kenne wahrscheinlich alle Charaktere des Herrn der Ringe, die mehr als einmal erwähnt wurden und ich weiß, dass ein Schweineclimax bis zu 30 Minuten dauert. Warum? 

Bajuwarische Biersorten

Weil man mit so etwas herrlich den Dicken markieren kann. Könnte man mit Wein ja auch – wenn man so etwas wie ein Weingedächtnis hat. Was sich bei mir – erstaunlicherweise - offenbar nie eingestellt hat. Ob es vielleicht wirklich an meiner bajuwarischen Hinführung zum Bier in frühester Jugend gelegen hat? Die Unterschiede zwischen Export, Pils, Hefeweizen, Kristallweizen, Starkbier, Alt, Kölsch, Bock oder auch Märzen stehen mir sonnenklar vor Augen und auch Ale, Guinness oder Lager bereiten mir keine memotechnischen Probleme. Selbst wenn ich nicht mal die Hälfte der aufgezählten Biersorten ansprechend finde. 

Önologie in der Schule

Aber einen Weißwein, den ich vor acht Monaten noch als Glücksfall betrachtete und der den Namen „Saugut“ trägt, kann ich nicht auf meiner inneren Festplatte speichern? Crazy! Was sagt das nun über mich? Vielleicht ist mein Hirn ja schon zu voll und ich habe zu spät angefangen, mich dem Wein zuzuwenden. Ich hätte statt Geschichte Önologie in der Siebten haben sollen. Vielleicht bin ich auch unbewusst noch zu verunsichert und erlaube mir nicht, die Weine, die ich gut finde, zu merken, denn – da ich ja eigentlich keine Ahnung von Wein habe – können die Weine, die ausgerechnet mir schmecken, natürlich nicht gut genug sein. 

Probieren geht über Wissen

Ich hätte Psychoanalytiker werden sollen. Oder es ist so, wie meine Frau sagt: Es war einfach noch nicht der richtige für mich dabei. Ich muss einfach fleißig und geduldig weiter probieren.
Ich denke, das mache ich!

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